Wenn ich die Gesetzeswelt beobachte, stelle ich mir doch manchmal die Frage, ob auch bei neuen Regelwerken wirklich bis zum Ende gedacht wurde. Mit „zu Ende denken“ ist eine an sich sehr komplexe kognitive Leistung (auf gute Deutsch: eine geistige Kraftanstrengung) gemeint. Dazu folgende Erläuterung:
Eine Handlung bzw. eine Prozesskette und dessen Ergebnis stellen eine Paarbeziehung dar, die zumeist 1-1-deutig (also umkehrbar eindeutig) sind. Wenn also eine Prozesskette exakt gleichartig abläuft, stellt sich auch das exakt gleiche Ergebnis ein. Treten allerdings verschiedene Ergebnisse von unterschiedlichen Prozessketten gleichzeitig am gleichen Ort (also simultan) ein, stellen sich selbsttätig ein Vielzahl von Folgen (sogenannte Phänomene oder auch Wirkungen) ein. Da diese – wie schon gesagt – selbstständig und ohne weiteres Zutun passieren, können sie auch zumeist gar nicht verhindert werden. Wer dazu mehr erfahren will, dem empfehle ich Alfred North Whitehead, Process and Reality, 1929. Die Lineardenker kommen in ihren Überlegungen aber zumeist gar nicht soweit, sich alle Wirkungen und unerwünschten Nebenwirkungen vollständig durchzudenken; deren kognitive Leistung endet beim Ergebnis.
Zur Aufhellung vielleicht ein Beispiel aus der Praxis: Wird das richtige Verhältnis von Sauerstoff- und Wasserstoffgas in einem Behälter zu Knallgas gemischt und unter normalen Druck auf 465 °C erhitzt (das ist die Prozesskette), so entsteht eine Verbrennung. Diese wird aufgrund ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit von rund der 10-fachen Schallgeschwindigkeit, einer Verbrennungstemperatur von rund 2.500°C und dem dadurch extrem raschen und hohen Druckanstieg gemeinhin als Explosion bezeichnet (das ist das Ergebnis). Aber welche Folgen stellen sich ein? Ob sich die Prozesskette in der unbewohnten Wüste oder in einem vollbesetzten Flugzeug abspielt hat doch völlig unterschiedliche Auswirkungen! Der Lineardenker arbeitet nur auf das Ergebnis (Explosion) hin und bedenkt die Folgen (was passiert bei unterschiedlichen Umgebungen und Randbedingungen) nicht.
Nun endlich zum EEffG – dem Energieeffizienzgesetz. Wie schon an dieser Stelle zuletzt erklärt wurde, soll dieses wie folgt funktionieren: Das Gesetz verpflichtet Energieanbieter seine Abnehmer zur Energieeinsparung zu bewegen. Die Kosten für diese (vom Abnehmer aber gar nicht bestellten) Zusatzleistungen dürfen energiepreiserhöhend auf diesen umgelegt werden. Dies erfolgt gemäß dem Modell, dass ich zum Heurigen gehe, der Wirt mich aber davon überzeugen muss, dass Wein und fetter Schweinsbraten ungesund sind. Konsumiere ich trotzdem, darf ich eben mehr dafür bezahlen. Die durch das EEffG bewirkten Energieeinsparungen werden nicht im Umsatzrückgang gemessen (was geringere Steuereinnahmen bewirken würde), sondern in einer Monitoring-Stelle erfasst, welche aber erst seit Ende April existiert, obwohl das Gesetz seit 01.01.2015 in Kraft ist. Soweit die Prozesskette. Das Ergebnis sollen Energieeinsparungsberichte sein, welche die Monitoringstelle der Bundesregierung und dieser weiter der EU berichtet. Nur was sind die Wirkungen? Welche sind beabsichtigt und was sind unbeabsichtigte Nebenwirkungen?
Hier ein paar Nebenwirkungen, welche der Beschluss des Nationalrates zur Folge hat: Das Verfehlen der Einsparungsziele (0,6% pro Jahr) wird bestraft und käme den Anbietern teuer. Daher müssen sie Einsparungen claimen und den Konsumenten sogenannte „Energieeinsparungsabtretungserklärungen“ unterzeichnen lassen. Mit diesen Erklärungen wird dann auch gehandelt werden - beabsichtigt? Energieanbieter werden daher auch vermehrt mit sparsamen Geräten zu günstigen Preisen (gegen die Abtretungserklärung) locken. Damit entwickeln sie sich zu Konkurrenten von Groß- und Einzelhandel - beabsichtigt? Unmengen von Altgeräten müssen entsorgt werden, obwohl sie noch funktionstüchtig waren - beabsichtigt? Damit die Energieanbieter nicht nur Geräte sondern ganze Anlagen verkaufen können, bei denen die Einsparungen dann noch höher ausfallen (wie zum Beispiel bei der Erneuerung von Heizungsanlagen durch effiziente easyTherm Infrarotheizungen), bauen sie eigene Dienstleistungsabteilungen auf und kaufen Handwerksbetriebe (wie Elektrounternehmungen) - beabsichtigt? Die Energieanbieter entwickeln sich durch das Gesetz gezwungener Maßen zu Universalanbietern für Energie, Geräte und Dienstleistungen aller Art (Beratung, Montage, Betrieb,…) - beabsichtigt? Damit kommen Gewerbe und Handel stark unter Druck- beabsichtigt?
Vom Gesetzgeber muss verlangt werden dürfen, dass neben den Lineardenkern auch Systemanalytiker befragt werden, bevor Gesetze beschlossen werden. Oder mit anderen Worten: Wer Knallgas mischt, muss sich vorher überlegen wie dadurch niemand zu Schaden kommt.